Vermutlich kennen Sie dieses Gefühl. Man wälzte sich, vergeblich nach Schlaf suchend, die halbe Nacht, bis man sich frustriert und sich von der Schlafidee loslösend in der Morgendämmerung aus dem Bett quält. Der Abdruck des zusammengeknautschten Kissens zeichnet sich noch deutlich auf der Wangenseite und man sieht sich im Spiegel nur im Querformat, weil die Augen, noch zu dünnen Schlitzen geformt, die Realität einfach noch nicht richtig abbilden können.
Kann aus diesem Tag noch etwas Anständiges werden?
Es beginnt das Mantra im Kopf: „Ich bin der Meister meiner Stimmung, ich bin der Meister meinen Stimmung.“ Erst einmal Kaffee. Und den Regentropfen, die sich, wie ich an meinem Mantra, versuchen an der Fensterscheibe festzuklammern, zusehen.
Wir lassen alle Dinge los. Beziehungen. Freunde. Träume. Manchmal freiwillig, manchmal gezwungenermaßen. Und dann sitzt man da, mit seinem Kaffee und den Regentropfen, und muss sich erst einmal wieder sortieren. Durchatmen und sich klar machen, was man eigentlich will vom Leben.
Sinnsuche ist nicht des Deutschen bester Freund. Hierzulande hat man gerne Pläne, Konstanten, Sicherheit, Loyalität und Reihenhaus. Im Durchschnitt zumindest. Planlosigkeit ist da nicht so gerne gesehen und wird eher misstrauisch gebilligt. Entweder man ehrgeizt noch einem Ziel nach oder man hat es schon erreicht. Dazwischen: Eher wenig Luft zum atmen. Und dann kommen noch die eigenen Ansprüche an sich und das Leben dazu: Was will ich? Worin bin ich gut? Und: Wann ist der Wunsch nach mehr Zufriedenheit zufrieden gestellt?
Im Grunde ist es doch aber so: An erster Stelle steht die Loyalität zu sich selbst. Ich persönlich kennen Niemanden, den ich als echten und in sich ruhenden Menschen wahrnehmen kann, der nicht ehrlich zu sich ist und nicht die Fähigkeit des Selbstreflektierens beherrscht. Und sich dann darüber hinaus noch seine eigenen Fehler, Unzufriedenheit und mögliche Verbesserungen eingestehen kann. Womit wir wieder beim Spiegelbild wären. Vielleicht sollten wir öfter in die verzerrten Morgenbilder sehen, und uns fragen, ob sich nicht doch die Wahrheit darin widerspiegelt.
